Motive, die vom ersten Moment ihrer Betrachtung an zu Bildgeschichten werden, sind typisch für die Kunst von Franz Kapfer. Mit wenigen Handgriffen und Elementen erzielen die Installationen des Bildhauers maximale Wirkung. Franz Kapfers Werke erscheinen wie überdimensionale Comicstrips oder große Zeichnungen, in die die Betrachter*innen eintreten und die sie erwandern können. Auch eine gewisse Düsterheit ist den Arbeiten nicht abzusprechen. Das kommt nicht von ungefähr, denn meist haken sie ein in konkrete Anlässe der Geschichte, der Gegenwart oder des Alltags in seiner politischen Dimension. Franz Kapfers Werke verdeutlichen das oft nur zufällig Wahrgenommene in einer Art und Weise, dass niemand mehr wegsehen kann, und sie tun das mit einer Portion Humor und Subtilität, die die Absurdität mancher Ereignisse endlich erkennen lässt.

In der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje steht seit 2016 an zentraler Stelle ein gigantischer Brunnen mit riesenhaften Bronzestatuen. Die Skulpturen wurden in Italien gegossen, für Transport und Fertigung wurden weder Kosten noch Mühen gescheut. Das Monument für Alexander den Großen stellt nicht nur den antiken Heerführer in ca. 20 Metern Körpergröße dar, wie er mit erhobenem Schwert gegen Osten reitet, sondern – quasi als Flankenschutz – auch vier brüllende Löwen. Der sinnliche Genuss des Ensembles im öffentlichen Raum wird durch einen periodisch abgespielten Hit von Richard Wagner, den „Walkürenritt“, zusätzlich verstärkt. In der Zeit der sogenannten „Colorful Revolution“ 2016 wurden dieser Brunnen und andere Bauwerke, die die damalige Regierung in eklektischem Stilmix errichten bzw. umgestalten ließ, von Polizeikräften geschützt. Befürchtet wurde der Bewurf mit bunten Farbpatronen.

Ein Besuch in der Stadt, die in den Jahrzehnten nach einem schweren Erdbeben 1963 von internationalen Architekt*innenteams modern geplant wurde, beschäftigte Franz Kapfer. In welcher Verbindung stehen Nachbauten wie ein Arc de Triomphe, der Alexanderbrunnen, das Denkmal für Philipp II, das „Mutterdenkmal“ für Olympia, neohistoristischer Fassadenschmuck sowie Überbauungen von brutalistischen Architekturhighlights zur Tagespolitik?

In Franz Kapfers Dekonstruktion des Gigantenbrunnens bleiben die Löwenköpfe mit ihren wallenden Mähnen optisch erhalten. Alles andere – die Lichtspiele, die Musik aus der Konserve, sogar das Wasser – wird auf das Wesentliche reduziert. Der Minimundus-Maßstab und die einfachen Materialen wirken dabei klärend und entlarvend.

Heike Maier-Rieper, 2022