Die fotografischen Arbeiten von Herwig Kempinger erzählen keine Geschichten. Sie verhandeln das Medium, durch das sie entstanden sind, und führen zu ihrem apparativen Ursprung, ohne ihr eigentliches Motiv aufzudecken. Herwig Kempinger bildet Gegenständliches in einer Weise ab, die die Einordnung des Gesehenen erschwert beziehungsweise immer neu anbietet. Die Wahrnehmung pendelt zwischen realem Gegenstand und Abstraktion. Man lässt sich auf eine Form ein und dringt so in einen neuen Raum vor.

Die vorgegebenen Motive – der Künstler nennt sie „temporäre Volumen“ – existieren tatsächlich nur einen bestimmten (kurzen) Augenblick lang und bieten so mehrere Möglichkeiten der Betrachtung. Das fotografische Festhalten eines eigentlich nicht greifbaren Momentes führt zu einem „Kippbild“ im Kopf des Beobachters und ruft Fragen zu Existenz, Realität und Vergänglichkeit hervor. Die Reversibilität dieses Momentes erscheint für den Betrachter als große Herausforderung seiner Wahrnehmung.

Heike Maier, 2005