Hunderte aus dem unendlichen Speicher Internet gefischte Bilder, kombiniert zu einem riesigen Wimmelbild. Jedes einzelne belegt die Realisierung eines Bubentraums: ich und meine Gitarre. Wir sehen Menschen vor uns, von denen wir nur wissen, dass es ihnen wichtig ist, bei ihrer Selbstdarstellung eine Gitarre dabeizuhaben. Denn sonst hätten sie die Bilder nicht als persönliche Visitkarten ins Netz gestellt. Manche kopieren die Posen von Rockstars, andere zupfen versonnen die Saiten. Alle zeigen sich im häuslichen Umfeld. Für die Recherche nach Gitarrenspielern benutzte der Künstler Fotosuchmaschinen, denen er Stichworte wie „me and my guitar“ eingab, manchmal auch in anderen Sprachen.

Der Kanadier Steven Shearer ist ein Art Feldforscher der Populärkultur. Speziell in der Gitarrensubkultur sieht er eine weltumspannende „proletarische Volkskultur“. Shearer ist in der Black-Metal-Szene von Vancouver groß geworden, weiß also aus eigener Erfahrung, wie sehr die Bildsprachen der Populärkultur – so jämmerlich sie auch sein mögen – dazu dienen, eigene adoleszente Fantasien visuell auszuschmücken.

Neben Posen von Gitarristen und Schlagzeugern sammelt Shearer in den digitalen Archiven vor allem Images von Produkten des Rock-Merchandising, mit denen Fans ihre Zimmer dekorieren. Eine vielteilige Assemblage, die neben Fotocollagen auch Skulpturen, Zeichnungen und Gemälde umfasst, gilt etwa Fanartikeln rund um die Band Black Sabbath: „Es ging mir um Artefakte, mit denen man einen bestimmten sozialen Raum betreten kann.“

Entscheidend für die künstlerische Arbeit Shearers, der sich als Kurator eines „Museums“ versteht, ist der kumulative Aspekt, die Dialektik zwischen Fotoflut und Einzelbild, zwischen Anonymität und Wirgefühl.

Wolfgang Kos, 2005