Carsten Höller beschäftigt sich – auf sein Wissen als Biologe zurückgreifend – in seinen Werken auch mit Evolutionstheorien, die in menschlichen Gefühlen wie Liebe und Glück in erster Linie Strategien zur erfolgreichen Reproduktion des eigenen Erbgutes sehen. Er stellt nicht nur diese infrage, sondern auch Gesellschaftstheorien, deren Gültigkeit er angesichts einer allgemein sich breit machenden Ratlosigkeit ebenso anzweifelt.

Gordon’s Gin besteht aus einem ehemaligen Aufzug, den Höller vertikal in vier Teile zerschnitten und dadurch seiner Funktion beraubt hat. Das Zerteilen des Aufzugs kann auch als Hinweis auf die „Tranchierarbeiten“, die der amerikanische Künstler Gordon Matta-Clark an verschiedenen Gebäuden ausführte, gesehen werden – eine Anspielung, die auch im Titel zum Ausdruck kommt. Als weitere Ideen, die hinter Gordon’s Gin erkannt werden können, stehen Begriffe wie „Laboratorium des Zweifels“ oder „Ratlosigkeit“, wie sie der Künstler im Katalog der evn sammlung 1999 aufgeworfen hat. Das Motiv der Dysfunktion eines eigentlich im Zeichen der Fortbewegung stehenden Objektes und die Irritation, die es so beim Betrachter hinterlässt, werden zum Sinnbild einer bewusst eingesetzten „Ratlosigkeit“. Diese Marke der Unsicherheit oder des Zweifels besteht als Gegenpol zur gesellschaftlich üblichen Vorstellung von Wohlstand und Affirmation.

Hans Ulrich Obrist, 2005